Lesen & Hören
Pioniere der modernen Pianistik
Das Buch „Die Wiederentdeckung der Einfachheit“ von Elgin Roth ist 2016 in zweiter, völlig überarbeiteter Auflage erschienen. Eine Information des Verlags beschreibt den Inhalt folgendermaßen:
„In diesem Buch werden klaviermethodisch relevante historische Zeugnisse über Frédéric Chopin und Ludwig Deppe zusammengefasst. Bei gründlicher Lektüre der pianistisch-pädagogischen Hinweise Chopins und Deppes zeigt sich – trotz ihres unterschiedlichen Naturells – eine erstaunlich weit reichende Übereinstimmung der pianistischen Ideale wie auch der klaviermethodischen Überzeugungen und Praktiken.
Frédéric Chopin (1810-1849) und Ludwig Deppe (1828-1890) verfochten Standpunkte, die dem damaligen Zeitgeist diametral entgegenstanden, heute aber, zumal im Sinne moderner Körperpraktiken, mit Sicherheit eine spontane Anerkennung fänden. Ursache für die Unkenntnis und damit für die Nichtbeachtung der außerordentlich wichtigen Beiträge Chopins wie Deppes zum Thema Klavierspiel in der Fachliteratur ist sicher ihrer beider Mangel an diesbezüglichem publizistischem Ehrgeiz. Heute ist die Zeit reif dafür, dieses Wissensgut wieder zu entdecken und in Theorie und Praxis zu eigenem Vorteil zu nutzen.“
Elgin Roth „Die Wiederentdeckung der Einfachheit: Frédéric Chopins und Ludwig Deppes pianistisches Ideal und seine Bedeutung für den heutigen Klavierunterricht“. Wißner Verlag/Forum Musikpädagogik. Taschenbuch, 176 Seiten, 24,80 €
Flinke Finger
Claire Huangci, Erste Preisträgerin des Internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs in Darmstadt 2009, ist in dieser Aufnahme beim Rheingau-Musikfestival 2020 zu hören. Ihr gut einstündiges Programm wählte sie passend zur Natur, die sich ihr in Form von Hügeln, Weinbergen und Flussläufen bot, wenn sie aus dem Fenster schaute. Beethovens „Pastorale“ mit den Vogelstimmen im zweiten Satz, ihre Lieblingssinfonie seit Kindertagen, war dabei, ebenso die romantischen Stücke „Claire de Lune“ von Debussy, Liszts „Liebeslied“ und die „Nocturnes“ von Chopin. Feurige Akzente setzten zwei „Ungarische Tänze“ von Brahms, und gegen Ende kam der Komponist noch einmal mit einem „Intermezzo“ zu Wort. Dank der Video-Aufzeichnung am 15. Oktober vergangenen Jahres können Musikfreunde das eindrucksvolle Konzert nun nach Belieben abrufen: www.magenta-musik-360.de/konzerte/claire-huangci
Zu Tränen rühren
Die geschickte Kameraführung zeigt die Künstlerin während des Spiels in wechselnden Perspektiven: mal das in der Musik aufgehende Gesicht, mal die Füße an den Pedalen, mal die ganze Gestalt, vor allem aber die Hände, die wie ein Schnellfeuergewehr über die Tasten rasen, immer wieder die Hände. Fasziniert folgt man ihren flinken Fingern. Deren ist sich die sympathische, energiegeladene Amerikanerin chinesischer Abstammung bewusst, will aber nicht ihretwegen geschätzt werden: „Ich möchte, dass sich die Menschen an mich erinnern, weil die Musik so schön war, so schön, dass sie zu Tränen rührte.“ Was ihr gelingt.
Liebe auf den zweiten Blick
Im Vorspann zu ihrem Rezital plaudert Claire Huangci quicklebendig über ihre Kindheit und den Zugang zur Musik. Keineswegs war es Liebe auf den ersten Blick, als sie zum sechsten Geburtstag einen Flügel geschenkt bekam mit der elterlichen Erwartung, dass sie von nun an ein bis zwei Stunden täglich übt. „Ich war über dieses Geschenk entsetzt“, bekennt sie heute freimütig und amüsiert sich darüber. Längst zählt sie zu den Stars der internationalen Piano-Szene. Ihre Heimat Pennsylvania hat sie hinter sich gelassen, lebt heute – nach 13 Jahren in Hannover, wo sie auch studierte – in Frankfurt/M.
Angenehme Erinnerungen an Darmstadt
Claire Huangci und die Chopin-Gesellschaft verstehen sich gut. Die junge Pianistin tritt gerne in Darmstadt auf, und so sagte sie seinerzeit auch rasch zu, das Jubiläumskonzert zum 50-jährigen Bestehen der Gesellschaft Ende Februar vergangenen Jahres als eine der Ersten Preisträgerinnen vergangener Wettbewerbe mitzugestalten. Wer in der Orangerie dabei war, erinnert sich wohl gerne daran.