Rückblick
Piano-Festival: Alle(!) machten mit
Ein Konzert mit den Profis unter den Mitgliedern der Chopin-Gesellschaft – würde das funktionieren? Jill Rabenau hatte die Idee, der Vorstand fand sie gut, und so gingen die Einladungen per E-Mail in die Welt hinaus. Die Profis – so der Gedanke – sollten Gelegenheit haben, in diesem nur für sie arrangierten Konzert sich den Musikfreunden vorzustellen oder an frühere Begegnungen neu anzuknüpfen.
Anfängliche Bedenken erwiesen sich schnell als unbegründet, denn schon kurz nach der Aussendung kamen die ersten – begeisterten – Zusagen, und zuletzt waren alle zwölf Profis im Boot. Einige meldeten kammermusikalische Darbietungen an, was schließlich zu 18 teilnehmenden Musikerinnen und Musikern führte. „Die Freude darüber, nach monatelanger Corona-Zwangspause wieder vor Publikum musizieren zu können, war riesig“, berichtet Jill Rabenau. Um das Publikum nicht zu überfordern, entschied der Vorstand, das Programm zu splitten und das „Piano-Festival“ auf zwei Tage auszudehnen.
So erlebten die Musikfreunde am 26. und 27. Juni im Vortragssaal des Literaturhauses eine Premiere der besonderen Art. Im Abstand von etwa 20 Minuten wechselten die Musizierenden. Im Raum war die Begeisterung, mit der sie ihren Instrumenten mal schnelle, mal langsame, mal romantische, mal wilde Tonfolgen entlockten, spürbar. Von Barock bis zur Moderne waren wohl alle Stilrichtungen vertreten, und was das Alter der Teilnehmenden betrifft, überspannte das Konzert sieben Jahrzehnte.
Samstag: Henning Brand, vielseitiger Künstler und Unternehmer aus Köln, eröffnete das Festival gefühlvoll mit einem Walzer von Chopin. Ihm folgte die Argentinierin Mariana Röhmer-Litzmann, die sich Claude Debussy verschrieben hatte. Aleksandra Mikulska, unsere Präsidentin, bezauberte mit Mozart und Brahms, während Carmen Piazzini, erfahrenste Teilnehmerin des Festivals, ihre Expertise als Haydn-Interpretin einmal mehr unter Beweis stellte. Mariko Sudo, am Cello begleitet von Mathieu Jocqué, hatte sich für Rachmaninow entschieden. Boris Bloch, gern gesehener Gast bei der Chopin-Gesellschaft, beendete den ersten Festival-Tag schwungvoll mit Werken von Mozart, Schubert und Chopin.
Sonntag: Den zweiten Tag eröffnete das Panufnik-Trio, bestehend aus Artur Pacewicz (Klavier), Pawel Zuzanski (Violine) und Lynda Anne Cortis (Cello), mit Auszügen aus dem Klaviertrio Es-Dur von Schubert. Lieder von Mahler und Brahms hatte die Griechin Alexandra Piperidou einstudiert, die von ihrer Landsmännin Leoni Sklia am Klavier begleitet wurde. Lisa Wellisch und die Cellistin Tatjana Uhde, Orchestermitglied der Nationaloper Paris, brachten Schumanns zauberhafte „Märchenbilder“ zum Klingen – erst kurz zuvor hatten sie diese auf CD eingespielt.
Sofia Moguillansky, mit 13 Jahren jüngste Teilnehmerin des Festivals, Mitglied im Landesjugendsinfonieorchester Hessen, gab ihr Können auf der Geige mit einem Werk des Barockkomponisten Allesandro Tomaso Vitali zum Besten, begleitet von Sabine Simon, die im Anschluss als Solistin mit Liedtranskriptionen von Schumann, Beethoven, Schubert, Chopin und Liszt das Publikum begeisterte. Den Abschluss gestalteten Laura Sobolewska (Klavier) und Marta Wryk (Gesang) grandios unter anderem mit einer Reminiszenz an die französische Sängerin, Komponistin und Chopin-Freundin Pauline Viardot, deren 200. Geburtstag die Musikwelt dieses Jahr feiert.
Alle, die dabei waren, ob im Publikum oder auf der Bühne, empfanden das „außergewöhnliche Projekt“ – so die Musikkritikerin Silvia Adler im „Darmstädter Echo“ – als rundum gelungen. Klar, dass das „Piano-Festival“ im Veranstaltungskalender der Chopin-Gesellschaft einen festen Platz erhält.
Hisako Kawamura: Ein unvergesslicher Abend
Zweimal hatte das Konzert mit Hisako Kawamura wegen der Corona-Pandemie verschoben werden müssen. Im Nachhinein betrachtet war das gar nicht schlecht, denn beim dritten und diesmal geglückten Versuch, das Konzert zu realisieren, ereilte die Veranstaltung das Glück, in den Kanon der bundesweiten Feierlichkeiten zum 160-jährigen Bestehen des deutsch-japanischen Freundschaftsvertrages aufgenommen zu werden. Die Anwesenheit von Shinichi Asazuma, Generalkonsul Japans in Frankfurt, und Vizekonsulin Mariko Yano sowie Iris Behr als Vertreterin des Magistrats der Stadt Darmstadt und Maximilian Larson vom städtischen Amt für Vielfalt und Internationale Beziehungen verlieh dem Konzert eine feierliche Note.
Rund 100 Musikfreunde erlebten am 17. Juli in der corona-bedingt nur zu einem Viertel gefüllten Orangerie eine Weltklassepianistin, die nicht nur virtuos zu spielen, sondern zwischen den Werken auch charmant zu plaudern verstand. Es gab wohl niemanden im Saal, den sie mit ihrem Können und ihrer unprätentiösen Persönlichkeit nicht bezaubert hätte.
Passend zum Jubiläum präsentierte Hisako Kawamura Werke japanischer und europäischer Komponisten. So kam das Publikum in den Genuss von etwas Exotik, verkörpert durch die asiatisch gefärbten Klänge des zeitgenössischen Komponisten Dai Fujikura und seines 1976 verstorbenen Landsmanns Akio Yashiro, und wurde zugleich mit vertrauten Melodien von Debussy, Beethoven und Chopin verwöhnt.
Am nächsten Tag gab es Gelegenheit, die Künstlerin bei einem öffentlichen Mini-Meisterkurs im Literaturhaus, den sie leitete, noch einmal zu erleben.
Zweifellos zählt der Klavierabend mit Hisako Kawamura zu den herausragenden Veranstaltungen im diesjährigen Konzertkalender der Chopin-Gesellschaft. Ihr Auftritt bleibt lebhaft in Erinnerung, und wer dabei war, wünscht sich ein baldiges Wiedersehen.