Konstantin Zvyagin wurde 1990 in der altrussischen Stadt Nowgorod geboren. Sein Studium absolvierte er an der renommierten Gnessins Musikakademie in Moskau bei Prof. Tatiana Zelikman. Anschließend vertiefte er seine Ausbildung im Masterstudium an der Hochschule für Musik und Tanz Köln unter der Leitung von Prof. Nina Tichman. Seit Januar 2020 unterrichtet er an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt.
Seine rege Konzerttätigkeit als Solist und Mitglied des Trios SpiegelBild führte ihn zu zahlreichen Solo- und Kammermusikkonzerten in Irland, Polen, Deutschland, Schweden, den USA, Frankreich, Italien, Spanien, Israel, Island und Russland. In den letzten fünf Jahren widmete sich Konstantin Zvyagin intensiv Richard Wagners Musik. Daraus entstand die Suite Wagners Ring in acht Bildern, basierend auf seinen Klaviertranskriptionen. 2023 wurde er dafür von der Richard-Wagner-Stipendienstiftung ausgezeichnet. Zudem gestaltete er die Ehrungsveranstaltung für langjährige Mitglieder der Bayreuther Festspiele in der Villa Wahnfried, wofür ihn die Festspielleitung mit einer besonderen Urkunde ehrte. Die von ihm für Klavier transkribierte Musik wurde im März 2024 unter dem Titel „Ein Weg durch Wagners Ring“ auf CD beim Label „Spektral“ veröffentlicht. Ergänzend dazu sind die Noten seiner Transkriptionen im APOLLON Musikoffizin Verlag in Bonn erschienen. Die Debüt-CD „Sceneries“ seines Trios „SpiegelBild“ wurde im Bezember 2024 ebenfalls beim Label „Spektral“ herausgebracht.
Dr. Ulrike Kienzle ist Privatdozentin für Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie arbeitet als wissenschaftliche Autorin, Dozentin, Dramaturgin und Kuratorin und veröffentlichte Bücher über Richard Wagner, Franz Schreker, Giuseppe Sinopoli, Robert und Clara Schumann. 2013 entdeckte sie ein verschollenes Streichquartett von Max Bruch und gab es als Faksimile und praktische Ausgabe heraus. Zur Zeit erforscht sie die Musikgeschichte der Stadt Frankfurt am Main. Ulrike Kienzle kuratierte Ausstellungen über Wolfgang Amadeus Mozart (2005), Robert und Clara Schumann (2010 und 2018) sowie über verschiedene Themen des Frankfurter Musiklebens (2021-2023). Für das Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt kuratierte sie die Musikstationen (unter anderem Schuberts „Winterreise“ und Schumanns „Scenen aus Goethes Faust“. 2018-2024 war sie unter der künstlerischen Leitung von Julian Prégardien Dramaturgin der Brentano-Akademie Aschaffenburg. In der Alten Oper Frankfurt hält sie die renommierte Vortragsreiche „Kienzles Klassik. Musikseminare für Wissbegierige“. Ihr Anliegen ist die lebendige, allgemein verständliche Vermittlung von profundem Wissen über klassische Musik. In ihren Gesprächskonzerten eröffnet sie gemeinsam mit bedeutenden Musikern spannende Einblicke in die vielfältigen Beziehungen von Musik und Leben, Literatur und Kunst und ermöglicht durch Moderationen und Rezitationen neue Hör- und Erlebnisräume.
Programm
Robert Schumann (1810-1856)
Nachtstücke, op. 23
- Mehr langsam, oft zurückhaltend
- Markiert und lebhaft
- Mit großer Lebhaftigkeit
- Ad libitum / Einfach
„Manfred“ – Dramatisches Gedicht mit Musik nach Lord Byron, op. 115
In der Konzertfassung für Klavier von Konstantin Zvyagin
- Ouvertüre
- Geister
III. Zauberbild
- Geisterbannfluch
- Intermezzo
- Alpenfee
VII. Ariman
VIII. Astarte
- Manfreds Erlösung
- Requiem aeternam
Thema mit Variationen in Es-Dur, WoO 24 „Geistervariationen“
Die Musikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle, Kuratorin für Musik des Deutschen Romantik-Museums, führt Sie kundig durch das Reich der Geister. Sie beleuchtet die spannenden Bezüge zwischen Dichtung, Leben und Musik von Lord Byron und Robert Schumann und rezitiert Briefe, Gedichte und verbindende Texte aus Byrons „Manfred“. Der Pianist Konstantin Zvyagin, bekannt für seine ebenso fantasievollen wie expressiven Konzertfassungen von Wagners „Ring“, erweckt die Geister der Romantik zu tönendem Leben. So entstehen faszinierende Brückenschläge zwischen Musik und Literatur, Traum und Fantasie, Psychologie und Realität.
Das Thema des Übernatürlichen, des Unheimlichen und Bedrohlichen, das den Menschen in Angst, Verzweiflung und Wahnsinn treibt, spielt in der romantischen Literatur eine zentrale Rolle. Kein anderer Komponist hat dieses Thema so tief in seiner Musik verankert wie Robert Schumann, dessen Werke oft von literarischen Bezügen durchdrungen sind. Seine empfindsame, psychisch fragile Persönlichkeit machte ihn besonders empfänglich für diese Welt zwischen Realität und Fantasie.
Wie in vielen seiner frühen Klavierwerke geht auch der Titel Nachtstücke auf literarische Vorbilder zurück, in diesem Fall auf E.T.A.Hoffmanns erzählerisches Werk – ohne jedoch direkt an dessen Inhalt anzuknüpfen. Dennoch ist die Musik tief mit der Vorstellung vom Tod verwoben. Schumann selbst notierte in seinem Tagebuch, er arbeite an einer „Leichenphantasie“. Ursprünglich plante er für die einzelnen Sätze des Werks programmatische Überschriften wie „Trauerzug“, „Kuriose Gesellschaft“, „Nächtliches Gelage“ und „Rundgesang mit Solostimmen“. Kurz nach der Komposition des ersten Satzes erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Bruders Eduard – ein Ereignis, das er als unheimliche Vorahnung empfang.
Im Mittelpunkt des Programms steht das dramatische Gedicht Manfred. Schon als junger Jurastudent in Leipzig las Schumann Byrons 1817 verfasstes Werk, das sich durch seine radikale Ablehnung gesellschaftlicher Konventionen auszeichnet. Byrons Helden – vielleicht eine Projektion des Dichters selbst – sind mutig, intelligent und leidenschaftlich, aber ebenso ruhelos, verletzlich und einsam. Ihnen bleibt wahres Glück stets versagt. Manfred bietet eine ganz eigene Sicht auf das Übersinnliche: Der Titelheld fürchtet keine Geister, sondern ruft sie immer wieder herbei, um seine verlorene Astarte zu finden und Vergebung zu erbitten. Doch er ist verflucht – weder Schlaf noch Tod können ihn von seinen Qualen erlösen. Die einzige Möglichkeit, Ruhe zu finden, wäre es, sich dem Dämon Ariman zu unterwerfen – doch Manfred verweigert sich stolz und trotzig. Beeindruckt von seinem Mut und seiner übernatürlichen Kraft gewähren ihm die Geister schließlich eine letzte Begegnung mit Astarte, die ihm endlich Erlösung bringt.
Die Musik zu Manfred bildet den Höhepunkt des Programms. Konstantin Zvyagin hat die schönsten musikalischen Momente des Werks in einer virtuosen Konzertfassung für Klavier neu arrangiert und verdichtet.
Zum Abschluss des Abends richtet sich der Blick auf Schumanns eigene innere Zerrissenheit. In seinen letzten Jahren glaubte er, von Geistern umgeben zu sein – einige flüsterten ihm „wundervolle“, andere „grausame“ Musik zu. In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar 1854 vernahm er Engelsstimmen, die ihm ein choralartiges Es-Dur-Thema offenbarten. Er notierte es sofort und entwickelte darauf seine letzten Variationen – die Geistervariationen. Am 27. Februar, mitten in der Arbeit an diesem Werk, verließ Schumann sein Haus, nur halb bekleidet, und stürzte sich in den eisigen Rhein. Er wurde gerettet und zurückgebracht, vollendete die Geistervariationen noch am nächsten Tag – doch es sollte sein letztes Werk bleiben. Konstantin Zvyagin

