Chopin Marathon 2015 Stimmen und Kritiken

Darmstädter Echo

Darmstädter Echo vom 23.03.2015 – von Silvia Adler

Chopin-Marathon in Darmstadt

Sechzehn Stunden Soloklavierwerke ziehen das Darmstädter Publikum in den Bann

Auf großes Publikumsinteresse stieß am Samstag der Chopin-Marathon im Darmstädter Kennedy-Haus. Mit der Idee, alle Soloklavierwerke des polnischen Komponistengenies innerhalb von 16 Stunden hintereinander aufzuführen, wagte die Chopin-Gesellschaft eine musikalische Pioniertat.

Das außergewöhnliche Projekt, bei dem vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein in den Räumen der Darmstädter Chopin-Gesellschaft ohne Unterbrechung Soloklavierwerke des polnischen Komponisten zu hören waren, stieß nicht nur bei eingeweihten Chopin-Enthusiasten auf Interesse. Mit seinem kühnen künstlerischen Sportsgeist traf es den Nerv eines breiten Publikums.

Der Konzertsaal ist schnell überfüllt.

Zu Hunderten strömten die Besucher in den Konzertsaal des Kennedy-Hauses, der bald restlos überfüllt war. mehr…


Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.03.2015 – Guido Holze

Wiegenlied um Mitternacht

Chopin-Marathon Darmstadt: 23 Pianisten in 16 Stunden

Als in dem schmucklosen Vortragssaal gegen 1.45 Uhr in der Nacht die Neonbeleuchtung eingeschaltet wird, umarmen sich viele, und die Initiatorin der Mammutaktion macht vor Freude einen kleinen Hüpfer: „Geschafft!“ ruft Jill Rabenau, wenn auch leise, da sie sich im organisatorischen Drumherum schon an den Flüsterton gewöhnt hat und ihr unter einer leichten Erkältung zudem die Stimme nahezu versagt. Fast 16 Stunden und damit nur etwa eine Dreiviertelstunde länger als geplant hat der von ihr als Vizepräsidentin der deutschen Chopin-Gesellschaft erdachte Chopin-Marathon im Darmstädter Literaturhaus gedauert, bei dem alle 204 Soloklavierwerke des polnischen Romantikers erklungen sind, angefangen von den ersten Polonaisen des Siebenjährigen am Vormittag bis zu den letzten Mazurkas des Meisters in den ersten Stunden des Folgetages.

23 Pianistinnen und Pianisten aus 14 Ländern, darunter bekannte wie Nami Ejiri und Eugene Choi sowie weitere aus der Talentschmiede des Frankfurter Klavierprpfessors und „Meistermachers“ Lev Natochenny, haben dabei für ein künstlerisch hohes Niveau gesorgt. Teils waren sie für kleine Gagen eigens angereist etwa aus Minsk, Rom oder Paris, um dem ungewöhnlichen Vorhaben zum Erfolg zu verhelfen. Einen derartigen Chopin-Marathon habe es ihres Wissens in dieser kompakten Art und in der chronologischen Abfolge sicher noch nie gegeben, freut sich Jill Rabenau. Inspiriert worden sei sie zu der Idee durch eine Gesamtaufführung von Chopins Klavierwerk 2010 in Warschau, die sich allerdings über eine Woche erstreckt habe.

„Leider braucht es heutzutage immer Events“, sagt Jill Rabenau selbst im Hinblick auf den erfreulich großen Zuspruch der Zuhörer, von denen bis zum Schluss noch etwa 50 geblieben sind. Und sie fügt hinzu: „Wir haben aber Chopin in den Mittelpunkt gestellt und seine Musik nicht herabgewürdigt. Die Besucher im Saal seien mucksmäuschenstill gewesen, viele hätten über Stunden hinweg zugehört oder seien nach kurzen Pausen wiedergekommen. Die Eheleute Helfer etwa sind als Mitglieder der Chopin-Gesellschaft, die deutschlandweit tätig ist und ihren Sitz in Darmstadt hat, aus dem Badischen angereist und mit kurzen Unterbrechungen von früh bis spät dabei gewesen: „Wir hätten selbst nicht gedacht, dass wir so lange durchhalten.“ Die Organisation und die Atmosphäre seien toll gewesen, die verschiedenen Interpreten hätten für Abwechslung gesorgt, ebenso die nicht nach Formen gegliederte Reihenfolge, die Chopins Entwicklung vom frühen Genie zum reifen Meister habe erkennen lassen.

Tatsächlich herrschte noch in der Endphase eine erstaunlich aufmerksame oder jedenfalls ruhige Atmosphäre, wenn auch der eine oder andere schon mal müde den Kopf sacken ließ. Schnell wurden immer wieder kurz zum Lüften die Fenster geöffnet, während die Pianisten unter kurzem Applaus wechselten und jemand die Anzeige der laufenden Nummer zu den im Programm mit Opuszahlen und Jahresangaben gekennzeichneten Stücken aktualisierte. Der Flügel wurde noch ein zweites Mal gegen 23 Uhr gestimmt, ehe Aleksandra Bobrowska die dritte Sonate h-Moll op. 58 energiegeladen vortrug und Justine Verdier kurz nach Mitternacht passend sanft als Wiegenlied die Berceuse op. 57 erklingen ließ. Der deutsch-japanischen Pianistin Mariko Sudo, die ihren ersten Auftritt schon um 11 Uhr gehabt hatte, war es schließlich vorbehalten, mit der Mazurka f-Moll op. 68 Nr. 4 den Schlusspunkt zu setzen. Zwischendurch war sie, wie sie sagte, nur einmal kurz zum Ausruhen bei ihrer Gastfamilie. Zwar sei sie eher ein Nachtmensch, aber kurz vor 2 Uhr nachts öffentlich Klavier zu spielen, das sei dann doch eine sehr besondere Herausforderung. Wie sich zeigte: eine perfekt gemeisterte.

Piano News – Ausgabe 3/2015